CIOFF-Logo Schriftzug
Inhalt TVG-Starkenburg Trachtenfeste Archiv Kontakt
Tanzendes Pärchen

Archiv:

Presseartikel

Aufführungen

Fahrten zu anderen Trachtenfesten

Ausflüge

Trainingswochenenden

alte Bilder

 

Warum mußte Publikum steif bleiben, als Tänzer vor Leben sprühten?

Eine Französin macht kritische Anmerkungen zum "Dritten internationalen Heppenheimer Trachtenfest" - Zuschauer wurden nicht genug beteiligt

HEPPENHEIM (SP). Über ihre Eindrücke vom "Dritten internationalen Heppenheimer Trachtenfest" berichtet eine Französin: Catherine Perrot aus Cannes setzt sich in einem Brief an die "Südhessische Post" kritisch mit dem Geschehen auf der Freilichtbiihne auseinander. Wir veröffentlichen ihre Anmerkungen im Wortlaut:
Messieurs, das Trachtenfest auf der Freilichtbühne Heppenheim hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß ich mit sehr eindrucksvollen Reisebildem nach Frankreich zurückkehre.

Die Berufskünstler und Hobbytänzer schufen eine Atmosphäre, die so bewegt und heiter war, daß man zu. Füßen der historischen Burg, inmitten rauschender Bäume für die Dauer des Abends überzeugt war, die Welt sei schön und die Menschen seien gut. Lebensfreude, Anmut, Tradition und Musikalität (heute leider seltene Vo-. kabeln) vereinigten sich zu reiner, Schönheit. Die Munterkeit der Aktiven sprang wie ein Funke auf das Publikum über, was eine sehr schöne Sache ist, doch in diesem Fall leider zur Pein wurde.

Denn wie hält man es aus, unbeweglich steif auf der Tribüne zu verharren, während die Musik so rhythmisch ist und unten die Tänzer vor Leben sprühen? Wäre es nicht möglich gewesen, das Publikum mit einzubeziehen?

So war man dann wieder in die heute übliche Konsumentenhaltung gezwungen: nur aufnehmen, einsaugen, selber passiv und unbeteiligt. Es waren doch nicht umsonst Volkstänze. Um sie am Leben zu erhalten, wäre es doch das Richtigste, sie dem Volk wieder beizubringen.

Das Trachtenfest war ja auch zum Zweck der besseren Völkerverständigung organisiert worden. Ein guter Anfang war, die Tänzer in einheimischen Familien unterzubringen. Auch der gemeinsame Gottesdienst schuf eine verbindende Stimmung.

Nur dann eben bei dem Fest selber kam der Kontakt zu kurz - auch zwischen den Zuschauern. Ich weiß es nicht, ob es daran liegt, daß ich eine andere Mentalität habe als die Deutschen, jedoch glaube ich, besonders bei dem jüngeren Publikum ähnliche Gefühle bemerkt zu haben.

Sicherlich hätten auch die aktiven Gruppen selber es nicht abgelehnt, zu helfen, die Mauer zwischen sich produzierenden und konsumierenden Menschen abzureißen und stattdessen ein wirkliches Festival du peuple entstehen zu lassen.

Besonders abrupt kam der Schluß der Veranstaltung: Als nach dem letzten Wirbel kaum der Schlußton verklungen war, hieß es "Danke schön - auf Wiedersehen" zack! Aus. - Eh, bien dachte ich, wahrscheinlich wegen der Dunkelheit und "der späten, inzwischen kühlen Stunde. Am nächsten Tag sollte es ja weitergehen.

So freute ich mich am Sonntagnachmittag noch einmal auf eine wirkliche europäische Gemeinschaft- und wurde enttäuscht. Bon, bestimmt nicht vom Können der Künstler, die Vorstellung war wieder parfait. Doch das eben war es: eine Vorstellung, eine Show. Etwas schräg lächelnd sahen sich die Besucher an, die bereits am Samstag abend das Programm verfolgt hatten, als sie merkten, wie spontan die Witze waren.

Abgedroschen wirkten schon beim zweitenmal auch meine Compatriotes, als sie mit ihrem schlechten Deutsch die Lacher gewinnen wollten. Ebenso die Jugoslawen mit ihrem "Vogel, wo bist du?" - Gag (den der, Flötenspieler aufgrund seines Könnens wohl absolut nicht nötig gehabt hätte).

Ein größeres Repertoire haben wohl die Polen. Obwohl sie schon am Vorabend mit sehr vielfältigen Kostümen auftrumpften, hatten sie dennoch auch am Sonntag noch Neues zu bieten. - "Zu bieten"! Nun bin ich selber da angelangt, wo ich eigentlich meine Kritik ansetzen wollte: Konsumverhalten. Sitzen und warten, was kommt, was einem geboten wird, anstatt das Ganze lebendig zu machen, mit zu machen.

Wie leicht man in diese Haltung kommt...

Alors, die Darbietungen quirlten und sprudelten auch am Sonntag hervorragend, und diesmal war der absolute Höhepunkt, das Nationalballett "Frula", am Ende der Veranstaltung. Das war so schwungvoll und lebendig, daß das "Danke schön - nach Hause geh'n" um so absurder wirkte.

Wäre es nicht im Sinne der Völkerverständigung gewesen, nun, als die Stimmung nicht besser hätte sein können, den, bis zu diesem Zeitpunkt. festgenagelten Statuen die Gelegenheit zu geben, sich zu regen? Zum Beispiel hätten der schöne Platz und die gute Zeit noch für ein Tänzchen untereinander in zwangloser Form genutzt werden können.

Es wäre auch schön gewesen, sich anschließend mit Mitwirkenden oder Zuschauern über Folklore allgemein. zu unterhalten. Sicherlich hätten sich außer mir auch andere gefunden, die sich für die seltenen Instrumente oder Trachten interessiert hätten und die Künstler gern erzählen ließen.

Aber so wurde man mit einem Satz wie ins kalte Wasser geworfen und hinausgeworfen. Das Ende war dann die typische "Fernsehleere": genossen - Kasten abgestellt. Aus. Wirklich schade darum.
Cathérine Perrot


Letzte Änderung dieser Seite am 24.04.2002 von Claudia Schmitt. Informationen unter birgit.jung@tvg-starkenburg.de