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Fahrten zu anderen Trachtenfesten
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Als das "Krätzerchen" in Lautertal noch in Mode warThomas Maul referierte beim Verschönerungsverein Reichenbach über die Geschichte der Odenwälder TrachtReichenbach. "Freiheit bei der Trachtenentwicklung" fordert Thomas Maul von der Trachte- und Volkstanzgruppe Starkenburg in Heppenheim. Bei einem Referat vor Mitgliedern des Reichenbacher Verschönerungsvereins meinte er, dass bei einer Trachtengruppe "der Gesamteindruck stimmen muss". Das "harmonische Bild" rangiere vor "geschichtlicher Detailgenauigkeit" und gewähre den Trachtenfreunden damit Handlungsspielraum bei der Gestaltung.
Im evangelischen Gemeindehaus gab Maul einen Überblick der geschichtlichen Entwicklung der Odenwälder Tracht. Danach lässt sich diese zurückverfolgen bis 1780. Ausgangspunkt sei eine Liberalisierung der Kleiderordnung gewesen, die das Kopieren adliger Kleider unter den Bürgern zur Folge gehabt habe. Die heute in den Trachtenvereinen und Brauchtumsgruppen zu sehenden Stücke stammten überwiegend aus der "Endphase" um 1900. Die "Hochblüte" sei jedoch um die Zeit zwischen 1800 und 1850 zu datieren. Das Gebiet, in dem die Odenwälder Tracht getragen worden sei, umfasse im Wesentlichen den Bereich zwischen den Flüssen Rhein, Main und Neckar. In der Nähe der großen Städte sei sie früher verschwunden, während ,sie im mittleren und hinteren Odenwald noch bis zur Jahrhundertwende, vereinzelt sogar noch bis zum Ersten Weltkrieg anzutreffen gewesen sei. Die Frauentracht sei im Vergleich schlicht und einfach, aber dennoch kleidsam gewesen. "Es gab keinen Goldbrokat, keine Verwendung von vornehmen Spitzen. Es fehlen starke Farbakzente, die sonst charakteristisch sind." An Sonn- und Feiertagen habe die Odenwälderin einfache schwarze Halbschuhe mit niedrigem Absatz getragen, die mit einer Silberschnalle verziert waren. An den Werktagen taten es auch Holz- oder Strohschuhe. Im Sommer steckten die Füße in weißen Baumwollstrümpfen. Schafwollene hätten es im Winter zu der Festtagstracht schon sein müssen. Werktags seien dagegen vielfach bunte Strümpfe getragen worden. Der Rock habe aus schwerem Wollstoff, bei älteren Frauen meistens in dunkelblau oder schwarz, bestanden. Bei jüngeren Frauen dagegen seien bunte Röcke vorherrschend gewesen. Die Werktagsröcke wären aus Leinenstoff gefertigt worden. "Hemdige Frauen" hätten Rockträger benutzt. Das weiße Hemd der Frauen habe aus Leinen bestanden, welches sowohl sonntags als auch werktags getragen worden sei, berichtete Thomas Maul. Das Mieder, so Thomas Maul, sei aus Beiderwand oder Tuchstoff, später auch aus Samtstoff gefertigt worden. Am häufigsten sei blauer Samt gewesen. Charakteristisch sei der Wulst, der am Rücken in Höhe der Hüften festgenäht wurde. Er sollte den schweren Tuchröcken einen festen Halt geben. Der "Mutzen" sei nichts anderes als ein über das Leibchen gezogenes zweites Mieder und lediglich mit Ärmeln versehen. Es habe ebenfalls aus Tuch bestanden, meistens in schwarz, aber auch in dunkelblau oder grün. Das Schultertuch von der Größe von etwa einen auf einen Meter sei bunt bedruckt gewesen mit angenähten Fransen. Es sei diagonal gefaltet und um die Schulter gelegt worden. Maul führte den Besuchern ein besonders prächtiges Exemplar von "de Botte Gredel ehmer Großmodde" vor. Heiße Diskussionen gab es über das Aussehen der Hauben, von denen es im Odenwald verschiedene Arten gab. Der Referent verwies auf die vorwiegend durch die Kirchenspiele verursachten Überschneidungen einzelner Tragegebiete. Im Lautertal sei vorwiegend das "Krätzerchen" getragen worden, in Mode seien aber auch der "Säu- oder Schwartenmagen" und das "Kommodchen" mit seinen abgewandelten Formen gewesen. Einfache schwarze Halbschuhe mit niederem Absatz habe auch der Odenwälder getragen. Sie seien mit einer viereckigen Schnalle aus Messing oder Silber verziert worden. Gut betuchte Bürger hätten sich auch schwarze Lederstiefel (Rohrstiefel) erlauben können. An den Werktagen waren es dagegen einfache Holz- oder Strohschuhe. Wie die Frauen, hätten auch die Männer weiße Baumwollstrümpfe im Sommer und Schafwollene im Winter getragen. In der letzten Phase der Männertracht seien die Strümpfe vielfach blau gewesen. Weit verbreitet sei die naturfarbene Kniebundhose aus Hirschleder gewesen. Daneben seien aber, wohl aus Kostengründen, auch Kniebundhosen aus Tuch oder Beiderwand getragen worden. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts seien sie aber zunehmend durch lange schwarze Tuchhosen verdrängt worden. An Werktagen habe der Bauer in der Regel weiße Hosen und eine weiße Kutte aus Leinen getragen. Aus Leinen sei auch das weiße Hemd gewesen, das sonntags und werktags Verwendung fand. Die Weste habe aus Tuchstoff bestanden und als Zierde eine Doppelknopfreihe besessen. In Lautertal sei diese Weste vorwiegend in blau getragen worden. Ebenfalls blau sei der Tuchrock gewesen, das "bezeichnende Kleidungsstück der Männertracht". Es sei nur mit einer Knopfreihe versehen worden, die nicht unbedingt zum Schließen des Mantels gedient habe. Als Schmuckelement hätten Patten die Ärmel verziert und damit seine militärische Herkunft belegt. Der Wams sei eigentlich ein abgeschnittener Tuchrock gewesen, der vorwiegend von den jüngeren Männern getragen worden sei. Allerlei Kopfbedeckungen habe der Odenwälder im Laufe der Jahrzehnte zu seiner Tracht getragen: Pelzkappen, runde schwarze, flache Filzhüte und Zipfelmützen. Letztlich hätten sich aber die verschiedenen Spielarten der Dreimaster oder Dreispitz verbreitet. Bei allen Neuanfertigungen der Odenwälder Tracht müsse bedacht werden, dass sich die Entwicklung über mehr als ein Jahrhundert hingezogen und vielfach gewandelt habe. Deshalb könne es keine eindeutigen Vorgaben oder Schnittmuster und Häkelanleitungen geben. Maul empfahl den Reichenbacher Trachtenträgern, sich an der Hochzeit der Trachten um 1850 zu orientieren und die örtlichen Besonderheiten zu beachten. Wichtig zu wissen sei auch, dass die Tracht um diese Zeit sehr stark von jungen Menschen getragen worden seien, mithin auch leicht und farbenfroh gewesen sei. (red) |
| Letzte Änderung dieser Seite am 08.10.2005 von (unbekannt). | Informationen unter birgit.jung@tvg-starkenburg.de |