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Fahrten zu anderen Trachtenfesten
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Ziegenbärtchen und Zopf unter dem DreispitzEindrucksvoller Festzug zum 100-jährigen Bestehen des Burg- und Trachenfestes gestern Nachmittag in LindenfelsVon unserem Redaktionsmitglied Kai SegelkenLindenfels. Das Burgfest feierte sich gestern selbst: Ein eindrucksvoller Trachtenfestzug schlängelte sich zum Jubiläum "100 Jahre Burg- und Trachtenfest" durch die Straßen von Lindenfels und präsentierte das bunte Bild einer "Odenwälder Bauernhochzeit", gekrönt von einem echten Brautpaar, das sich wenige Stunden vor Beginn des Zuges das Jawort gegeben hatte. Von denen, die das erste Burgfest im Jahr 1904 mitgefeiert haben, war heute zwar niemand mehr dabei, der es hätte bezeugen können - aber schöner kann's vor 100 Jahren auch nicht gewesen sein. Der Festzug setzte sich unter einem strahlend blauen Himmel in Bewegung. Warm war's zwar, aber nicht zu heiß; und während sich an der Bergstraße die schwüle Luft staute, sorgte auf den Höhen des Odenwaldes immer wieder ein leichtes Lüftchen dafür, dass es selbst in den schweren Trachten, die die Zugteilnehmer trugen, nicht gar zu heiß wurde. Und Trachten trugen sie so gut wie alle, die in den Fußgruppen und auf den Wagen im Festzug mit von der Partie waren, den zahlreichen Zuschauern zuwinkten, Handwerkskunst vorführten oder musizierten. Schließlich wird das Fest zur Erhaltung der Tracht gefeiert - und das ganz ohne dabei in rückwärts gerichtetem Denken zu verharren und mit Scheuklappen die Vergangenheit zu verherrlichen. Hier geht es lediglich darum, althergebrachtes Brauchtum und die Festtagskleidung der Menschen früherer Jahrhunderte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein ehrenwertes Anliegen, das die Lindenfelser beim Burgfest mit viel Freude verfolgen - und mit Erfolg, wie der Applaus entlang des Festzuges bewies. Nicht umsonst erfreut sich das "Fest der Feste" im Burgstädtchen seit jetzt schon 100 Jahren größter Beliebtheit, und um Nachwuchs muss man sich keine Sorgen machen. Alt und Jung sind im Festzug vereint - und so entspricht es der aktuellen Mode, dass unter dem einen oder anderen Dreispitz Ziegenbärtchen und Zopf hervorlugten und dass junge Frauen zur alten Bauerntracht das topaktuellste Piercing in den Augenbrauen trugen. Und unter den vielen Kindern, die stolz ein Schild im Festzug trugen, hatten einzelne eher in der Türkei gebräuchliche Vornamen - sie waren mit Feuereifer bei der Sache. Zweien von ihnen hatte eine ältere Dame, die das bunte Treiben direkt neben dem Autor verfolgte, die Trachten besorgen helfen. Burgfest feiern ist für alle ein Vergnügen und gewiss keine Frage des Alters - für die Jungen nicht, und für die Alten schon gar nicht. Sie können noch Geschichten von vor dem Krieg erzählen, als es noch sehr viel mehr Pferde gab. Doch auch heute waren wieder zahlreiche stolze Schwarze, Schimmel und Rappen im Festzug dabei, der denn auch traditionell von der Reitergruppe angeführt wurde, gefolgt von den Fahnenträgern, die die Farben von Deutschland, Hessen und Lindenfels hochhielten. Die Stadtwache marschierte vor dem Motivwagen des Bismarckturms. Der Turm spielte in diesem Jubiläumsjahr eine ganz besondere Rolle, denn zu seiner Finanzierung wurde das erste Burgfest ausgerichtet. Musikalisch machte die Lindenfelser Kurkapelle den Anfang im Festzug, ehe sich die "Spinnstube" einreihte. Der Wagen zeigt das bunte Treiben von Mädchen und Jungen an langen Winterabenden, bei denen schon manches Band fürs Leben "gesponnen" wurde. Die jungen Pärchen schmiedeten dann Pläne unterm "Baum im Odenwald". Dieser Wagen war vor dem "Handstreich" unterwegs, bei dem die Brautväter vor dem Ortsschultheißen den Ehevertrag aushandelten. Die Original Odenwälder Trachtenkapelle kündigte dann das (in diesem Jahr erstmals echte) Hochzeitspaar an, das mit den engsten Verwandten im Gefolge mit viel Applaus begrüßt wurde. Direkt dahinter folgten prominente Hochzeitsgäste, darunter Landrat Matthias Wilkes, der seiner Verbundenheit mit Lindenfels dadurch Ausdruck verlieh, dass er persönlich in (geliehener) Tracht am Festzug teilnahm, gewissermaßen Hand in Hand mit dem Vorsitzenden des Verschönerungs- und Verkehrsvereins Lindenfels (VVL), Ehrenbürgermeister Peter C. Woitge, Bürgermeister Oliver Hoeppner und Stadtverordnetenvorsteher Heiner Wider. Für Musik sorgte dann wieder der Spielmannszug der Feuerwehr Winterkasten, der die Hochzeitsgäste ankündigte, die zu Fuß oder im Spazierwagen zu dem großen Fest kamen - oder mit der Postkutsche, die natürlich nicht fehlen durfte. Zum Jubiläum fanden sich zudem große Gästegruppen von der OWK-Trachtengruppe Gras-Ellenbach, der Trachtengruppe der SKG Zell, der Trachten- und Volkstanzgruppe "Starkenburg" aus Heppenheim, der OWK-Trachtengruppe Reichelsheim sowie der Trachtengruppe Mittershausen/Scheuerberg ein. Daran schloss sich der Kammerwagen mit der Aussteuer der Braut an, dahinter folgte die Brautkuh. Einen eindrucksvollen Teil des Zuges bestritten die Mitglieder der Lindenfelser Trachtengruppe, die ja auch schon den Festauftakt am Freitagabend auf der Burg gestaltet hatten: Das Akkordeon-Orchester sorgte für Stimmung, gefolgt von der Tanz- und Musikgruppe und der Altersabteilung "Die Oalde", dahinter die Trachtenkapelle, die natürlich ebenfalls aufspielte. Blumengrüße der Gadernheimer Landfrauen und die Erntedankgruppe des Frauenkreises Winterkasten sind seit Jahrzehnten schon steter Begleiter der Hochzeitsgäste, denen sich in diesem Jahr noch die Folkloregruppe "Komes" anschloss. Die international auftretenden Tänzer und Musiker stammen aus der Gegend um die Lindenfelser Partnerstadt Pawlowiczki. Im zweiten Teil des Zuges geht es traditionell um die Darstellung alter Handwerkskünste, wobei die Apfelwein-Herstellung den Anfang machte, gefolgt vom Fanfarenzug Michelstadt mit seinen farbenfrohen blau-gelben Fahnen, dem Wagen der "Steinhauer", der "Dorfschänke" und hinterdrein dem Nachtwächter. Die Nagelschmiede, die Schnitzbank, die Zimmerleute mit einer eindrucksvollen Grubensäge auf dem Wagen, die Flachsbereitung, und die Schlosswaldjäger folgten, begleitet von der Kirchenmusikkapelle Fürth, ehe die Feuerwehr mit einer alten Spritze aus der Zeit der vorigen Jahrhundertwende den Abschluss bildete. "So, das war's", zeigte sich die eingangs erwähnte ältere Dame sichtlich zufrieden über den schönen Zug: "Ich gehe jetzt nach Hause." Das ist die Ausnahme, denn sonst folgten sehr viele dem Zug und marschierten schließlich zum großen Volksfest auf die Burg. Für sie sei das lange vorbei, erklärte die Dame und bezog es wohl auf ihr die Zahl ihrer Jahre - dabei ist Burgfestfeiern gewiss keine Frage des Alters. Und das 100 Jahre alte Fest selbst trat gestern den Beweis dafür an, mit welchem Schwung Jung und Alt gemeinsam feiern können. Es gibt auch einen eigenen Bericht über den Lindenfelser Umzug. |
| Letzte Änderung dieser Seite am 27.11.2004 von (unbekannt). | Informationen unter birgit.jung@tvg-starkenburg.de |